DER GROSSE NAVIGATOR - Gott ist auch nur ein Mensch
DER GROSSE NAVIGATOR - Gott ist auch nur ein Mensch Deutschland, 2007, 35mm, 80 Min. Eine Produktion von Böller und Brot in Koproduktion mit dem ZDF / Das Kleine Fernsehspiel Christian Cloos Gefördert von: Medien und Filmförderung Baden-Württemberg, Kulturelle Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern, Akademie Schloss Solitude Im Verleih GMfilms |
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DER GROSSE NAVIGATOR - Gott ist auch nur ein Mensch 31. August 2008 Burg Klempenow, 17089 Breest ab 18. September 2008 Universum Arthaus-Kinos Heilbronn, 31. Oktober Lichtspiele, Färberstraße 1, 72116 Mössingen Weitere Infos bei >> GMfilms |
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Plakatmotiv
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Haus der Kultur und Bildung, Neubrandenburg |
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Schwimmbad- evangelisation |
Punk und Jesushouse |
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Missionierungs- versuch |
Heidi aus Papua Neuguinea |
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Orientierungshilfe | Die Fischer vom Tollensesee |
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Taufe in Papua Neuguinea |
Filmteam an Bord | ||
Jugendweihe im HKB |
Die Regisseurinnen Köhler und Baier |
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MFG Filmförderung Baden-Württemberg |
ZDF Das kleine Fernsehspiel |
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AKADEMIE schloss SOLITUDE |
Kulturelle Filmförderung Mecklenburg- Vorpommern |
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Filmclips |
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Böller und Brot |
Böller und Brot im ausführlichen Interview zu den Dreharbeiten: Wiltrud Baier und Sigrun Köhler stehen Frage und Antwort zu "DER GROSSE NAVIGATOR". WILTRUD: Wie kommt man vom idyllischen Hohenloher Land und SCHOTTER WIE HEU in die Ostdeutsche Provinz? SIGRUN: Aus Neugier, wie bei allen Dokumentarfilmen ist es vor allem die Neugier.. Wir haben in einen Zeitungsartikel gelesen, dass Missionare in der No-God-Area Neue Bundesländer arbeiten. Das hat uns überrascht, man erwartet einen Missionar ja irgendwo ganz weit weg auf anderen Kontinenten. Wir haben mit der Liebenzeller Mission im Schwarzwald Kontakt aufgenommen und erfahren, dass in Kürze der schwäbische Missionar Jakob Walter, der 22 Jahren Missionsdienst in Papua Neuginea geleistet hatte, nach Neubrandenburg kommen wird: Von den "Heiden" aus der Südsee zu den "Heiden" in den Osten. WILTRUD: Wir hatten die Chance den Missionar und seinen Missionseinsatz von Anfang an zu begleiten, vom Umzug aus dem Schwarzwald an, sein Ankommen in Neubrandenburg, die ersten Schritte.. Uns hat gefallen, dass wir so die Neuen Bundesländer und was dort seit der Wende passiert ist, aus einem ganz besonderen Blickwinkel heraus betrachten können, wie Fremde. Das haben wir uns großartig vorgestellt. SIGRUN: Erst hinterher haben wir erfahren, dass es bei der Herstellung von Filmen mit religiösen Themen regelmäßig zu Schwierigkeiten kommen soll. Wir hatten tatsächlich haufenweise Pannen und Hindernisse aller Art. An Heilig Abend zum Beispiel haben wir in Neubrandenburg gedreht und fuhren danach Richtung Berlin... WILTRUD: Plötzlich bleibt das Auto stehen. Und springt auch nicht wieder an. Da sitzen wir ganz allein auf dieser finsteren und kalten Autobahn, und alle Welt sitzt unterm Tannenbaum. SIGRUN: Unsere Kamerafrau Bernadette wurde von einer Fischvergiftung lahmgelegt .. WILTRUD: ..oder die Katastrophen im Kopierwerk wegen einer farbenblinden Lichtbestimmerin Um nur ein paar der Plagen zu nennen. SIGRUN: Du hast am Ende sogar einen Zahn verloren. WILTRUD: Ja. Auge um Auge, Zahn um Zahn.. Ich dachte nur noch: Hilfe! Ein Fluch! SIGRUN: Man muss zugeben: Alte Autos haben öfters Pannen und Schwierigkeiten gibt’s bei jedem Film, es muss sich also nicht unbedingt um das Eingreifen höherer Mächte handeln.. Trotzdem sind Filme über Kirche und Glaube eine Herausforderung. Ich wollte einen Film machen, der einerseits das Thema Glaube ernst nimmt, aber dennoch humorvoll ist. Das war nicht so einfach. WILTRUD: In „Der Name der Rose“ werden aus Angst vor dem Humor sogar eine ganze Reihe Mönche hingemeuchelt... SIGRUN: Es gibt so viele unterschiedliche Glaubensrichtung mit ihren jeweiligen Ideen, Vorschriften und Tabus. Glaubensfilme behandeln deshalb gerne "das Erhabene". Wir haben uns aber ganz bewußt mit dem Alltag im Glauben beschäftigt, mit dem Irdischen. WILTRUD: Es ist nicht selbstverständlich, dass Missionare weltliche Kamerateams bei ihrer Arbeit zuschauen lassen. Das bleibt einem normalerweise eher verschlossen. Durch die lange Zeit im Ausland waren die Walters – für Missionare – sehr offen, was das Filmprojekt anging. Ihr erster Winter im Osten war dann aber sehr viel schwieriger, als sie sich das wahrscheinlich vorgestellt hatten. Und damit schwand auch die Freude daran, dass das alles dokumentiert wird. SIGRUN: Die Darstellung von Realitäten kann ja manchmal das größte Tabu sein. Wir thematisieren zum Beispiel die Fremde zwischen Ost und West Deutschland. Obwohl es ja völlig logisch ist, daß bei einer so unterschiedlichen Sozialisierung die Leute sich nicht grundsätzlich sofort verstehen können, wird da nicht gerne drüber gesprochen. WILTRUD: Ich weiß noch, als wir zum ersten Mal zur Recherche nach Schwerin gefahren sind, mit Deinem schönem, alten Starlet, da wurde der Zimmervermieter richtig wütend: "Wie wir aus Stuttgart kommen können und in so einer alten Rostlaube durch die Gegend fahren. Aus Stuttgart!" Später hat er sich dann beruhigt und gesagt: "Na ja, sind ja auch nicht alle reich, bei euch da drüben.." SIGRUN: Es war aber trotzdem eine schöne Zeit, „drüben“. Ernährt haben wir von Thüringer Bratwurst - die DDR ist ja auch liebevoll der „Würstchenstaat“ genannt worden. Oder von guten Fischbrötchen, Tollenseseefisch-Brötchen. Ein Gedicht! WILTRUD: Bei einem Fischbrötchen kamen wir auf die Idee, mit den Neubrandenburger Fischern vom Tollensesee zu drehen. „Von nun an sollt ihr Menschen fischen..“, sagt Jesus zu seinen Jüngern. Fischer waren ja im Prinzip die ersten Missionare. Morgens um 5 haben uns die Fischer zum Fischfang mitgenommen. Alles war ganz und gar grau und mit Nebel verhangen, und der Fischer, Herr Sittig, sagt „Gott ist auch nur ein Mensch!“ und fängt an, über Gott und Teufel und die Welt zu philosophieren. Dann, durch den Nebel über dem spiegelglatten See geht allmählich die Sonne auf und taucht alles in ein überirdisches Licht... Ein Geschenk des Himmels. SIGRUN: Bist Du gläubig? WILTRUD: Die Frage haben wir während der Dreharbeiten allen Leuten gestellt, aber niemand hat uns je zurück gefragt. Deshalb weiß ich gar nicht, was ich antworten soll. Also, in diesem unvorstellbar großen Weltall, mit abertausend Sonnensystemen, da kreist eine kleine Erde und es rennen Leute drauf herum, die Sachen erfinden, wie z.B. Modelleisenbahnen.. Da staunt man doch! SIGRUN: Aber Du hast auch die Angewohnheit, wenn wir Film belichtet ins Kopierwerk bringen, immer eine Kerze zu spenden – von wegen gutem Licht. Das muss ich, mit meinem evangelischen Hintergrund, als schlimmen Aberglaube ablehnen, aber bis jetzt hat es noch nicht geschadet. WILTRUD: Ich bin halt aus Bayern, dieses Katholische, das wirst du nicht von heut auf morgen los. SIGRUN: Ich fand erstaunlich, dass die Liebenzeller Mission auch in katholischen Regionen missioniert. Wir hatten ja eh gedacht, es könnte ein sehr interessanter Selbstversuch sein, ob wir über die Arbeit an diesem Film missioniert werden, oder was mit uns passiert.. WILTRUD: Mir ist das Gottesbild der Mission, vom zornigen und strafenden Vater, wie man ihn im Alten Testament findet, sehr fremd. Und auch die Tendenz, die Bibel wörtlich zu nehmen. Der Pietismus entstanden im 17. Jahrhundert als Gegen-Bewegung reformierter Christen zur Aufklärung. Da wurde die Vernunft zum Feind des Glaubens. Dass einer sich seine eigenen Gedanken machen kann, scheint mir der Kern des Mensch-Seins, die Krönung der Schöpfung, zu sein. SIGRUN: Du hättest auch Pfarrer werden können! WILTRUD: Ja, vor allem katholischer Pfarrer, mit einem angeklebten Bart. "Ist denn hier Weibsvolk..?" SIGRUN: Die Berufsausbildung zum „Prediger“ ist bei der Liebenzeller Mission aber auch den Männern vorbehalten. In diesem Punkt sind sie fast katholisch. WILTRUD: Wir haben eine halbe Ewigkeit am Schnitt vom NAVIGATOR zugebracht. Unser Berater Raimund Barthelmes hat gesagt, der Film würde uns mehrere Jahre Fegefeuers ersparen. Ich weiß nicht genau, wie er das gemeint hat. SIGRUN: Der Schnitt hat über ein Jahr gedauert. Zum Glück waren wir dazwischen mit Stipendien gesegnet und konnten das "1. Internationale Daumenkinofestival Solitude " organisieren oder in den schottischen Highlands die Kinder-Koch-Serie "Homemade" drehen. Solche Unterbrechungen tun dem Schnitt sehr gut, sonst verliert man irgendwann den Abstand. Die Schwierigkeit beim Schnitt war vor allem die richtige Balance von Nähe und Distanz zum Protagonisten heraus zu arbeiten. WILTRUD: Wir haben die Arbeitsweise des Missionars, die vielen Begegnungen mit wildfremden Menschen, in die Filmstruktur übernommen. Das haben wir mit einer Lichtdramaturgie kombiniert: Wir fangen im Hellen und mit Hoffnung an, als der Missionar in den Osten zieht. Dann wird es immer finsterer und finsterer.. Weihnachten (und später Ostern) im Einkaufscenter ist dunkel, und dann kommt das Licht langsam wieder.. bis zum Frühling, dem Missionsfest an Pfingsten. Und am Ende wird es ganz hell und warm: Das Paradies Papua Neuguinea kommt zu Besuch.. Das Kirchenjahr bestimmt viel von der Struktur. SIGRUN: Den kleinen Punk Matze, der sich selbst als "Antichrist" bezeichnet, treffen wir ganz am Anfang des Films auf dem Marktplatz, und dann taucht er eine ganze Weile gar nicht mehr auf, wie im wirklichen Leben, bis er zufällig auf den Missionar trifft, der ihn zur christlichen Jugendveranstaltung einlädt. Von da an wird Matze immer wichtiger im Film. Das spiegelt die Realität unseres Kennen-Lernens wieder. WILTRUD: Wir nennen diese Arbeitsweise den "real existierenden Realismus". SIGRUN: Würdest Du sagen, der Film hat ein Happy end? WILTRUD: Oberflächlich betrachtet hat er ein versöhnliches Ende, aber er endet mit dem verlorenen Paradies, und das ist irdisch.. Das ist nicht unbedingt ein Happy End. SIGRUN: Ich würde sagen, es ist vielmehr ein Anfang, als ein Ende. Kurzinterview mit SONNENDECK |
Bildeindrücke von den Dreharbeiten: |
Gestatten: Ostvorpommern |
Filmteam im Hintergrund |
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Alleen-Dreh vom Autodach |
Filmteam an Bord | ||
Filmteam zu schnell |
Die Regisseurinnen Köhler und Baier |
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Ausführliche Credits DER GROSSE NAVIGATOR - Gott ist auch nur ein Mensch Buch, Regie, Kamera und Schnitt Schnittberatung Tonmischung 2. Kamera Postproduktion Produktion In Zusammenarbeit mit Indi Film Redaktion Mit u.v.m. gefördert durch MFG Filmförderung Baden-Württemberg Kulturelle Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern Akademie Schloss Solitude |
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Pressestimmen & Kritiken zu DER GROSSE NAVIGATOR - Gott ist auch nur ein Mensch (Auswahl) |
Brigitte Jähnigen, Stuttgarter Nachrichten >> Ausführliche Besprechung öffnen / schließen
"Sintflut, Morde und zu viele Wunder: Mit der Bibel und dem lieben Gott können die Menschen in Neubrandenburg nicht viel anfangen. Vor allem an Wundern mangelt es in den ihnen versprochenen "blühenden Landschaften". Doch "für verlorene Menschen, die immer noch nicht begriffen haben, dass es diesen Jesus gibt", schickt die Liebenzeller Mission den bibelfesten Jakob Walter nach Meck-Pomm". Begleitet wird er von den Stuttgarter Filmemacherinnen Wiltrud Baier und Sigrun Köhler. Des Vergnügen an ihrer Dokumentation setzt sofort ein. Jakob Walter erklärt, daß er nach 22 Jahren Missionstätigkeit in Papua-Neuguinea jetzt in den "Oschten" geht. Man braucht nur ein ganz klein wenig Ost-Erfahrung, um zu ahnen, dass dem hoffnungsfrohen Gottesmann ein Fiasko drohen muss. "Oh Gott, sag mir, wie 's weitergeht", fleht der Menschenfischer nach wenigen Monaten gen Himmel. Palmen, Meer und willige Täuflinge musste er gegen das immer noch gräuliche Neubrandenburg eintauschen, in dem die Menschen keinen Gesprächsbedarf zum Thema zeigen. "Antichrist" sei er, sagt ein orientierungsloser Punker in die Kamera. "Der Glaube hängt vom Klassenkampf ab. Gott sei Dank", sagt ein Weihnachtsbaumverkäufer. "Gott verlässt einen guten Kommunisten nie", sagt der Bahn-Kontrolleur. "Gott ist auch nur ein Mensch", sagt ein Fischer vom Tollense-See. Auch der "Jesushouse"-Event im Spaßbad zeitigt keine herzeigbaren Erfolge. Mit konsequenter Distanz und dokumentarisch unbestechlich porträtieren Baier und Köhler selbstbewusste Menschen, für die Humanismus kein Fremdwort ist, und die sich tapfer durch ihren schwierigen Alltag kämpfen. Und sie zeigen einen zunehmend hilflosen Missionar, der nicht nur mit seinem Auto-Navigationssystem und Autobahn-Blitzern auf Kriegsfuß steht. Unbedingt anschauen und alle Freunde mitnehmen!" |
Ina Hochreuther, Stuttgarter Zeitung >> Ausführliche Besprechung öffnen / schließen
13.12.2007 von Ina Hochreuther |
Jan-Peter Schröder, Ostsee-Zeitung
Mission bei den Heiden in Mecklenburg |
"Entstanden ist ein nachdenklicher, ehrlicher, auch komischer Film mit einer raffinierten Lichtdramaturgie, der den schwäbischen Missionar auf verlorenem Posten zeigt." Holger Kankel, Schweriner Volkszeitung
15.02.2008 von Holger Kankel Missionar Jakob Walter will ein offenes Ohr haben für die Probleme der Menschen - und das Wort Jesu verkünden. Von Papua Neuguinea nach Mecklenburg. Von den Nachfahren der Kannibalen zu den ostdeutschen Heiden. Der Missionar Jakob Walter hat sich mit seinem Gott beraten und lebt nun nach 22 Jahren in Papua Neuguinea seit 2003 in Neubrandenburg. Geschichten lassen sich so oder so erzählen. Die Geschichte von Jakob Walter, dem Missionar, könnte so beginnen. Ein Mann fährt gemeinsam mit seiner Frau an einem Julitag im Jahr 2003 von Süddeutschland nach Ostdeutschland. Er hat sich ein Navigationsgerät zugelegt, das ihn mit gleichbleibender Boshaftigkeit in die Irre führt. Auch sonst scheint Gott, der große Navigator, seinem Diener Jakob Walter auf seiner Mission im tiefen, heidnischen Osten im Stich zu lassen. Er wird geblitzt wie noch nie zuvor in seinem Leben, sammelt Punkte um Punkte in Flensburg, und die Menschen auf der Straße, vor der Kaufhalle, vor dem abgetakelten Haus der Kultur in Neubrandenburg, in der Disko, im Amt, im Elektromarkt, haben mit Gott und Religion, Weihnachtsgeschichte und Jesus nichts am Hut. Keine Hoffnung für Glaube, Liebe, Hoffnung. Die Frau im Amt lacht Walter aus, als er von einem Leben nach dem Tode spricht. "Wenn ich Hilfe brauche, hole ich die Polizei", sagt ein anderer. Kinder im Kaufhaus stottern bei der Weihnachtsgeschichte, können dafür aber Harry Potters Abenteuer bis ins Detail herbeten. Die frühere Weltklasse-Sprinterin Katrin Krabbe predigt über mentales Training. Auch etwas Nachhilfeunterricht in jüngerer deutscher Geschichte muss sich der 60-jährige Christ von der Liebenzeller Mission gefallen lassen: "Einen guten Kommunisten verlässt Gott nicht." "Fuck the Church, Alter!" Das sind noch die eher freundlichen Glaubensbekenntnisse. "Unser Gott heißt Bier!" "Fuck the Church, Alter!", rufen ihm Jugendliche hinterher, die ihn auch mal gönnerhaft als "Freund der fröhlichen Volksmusik" verspotten, als er sie zu einem christlichen Vortrag ohne Freibier einladen will. So lässt sich die Geschichte erzählen. So erzählen die Stuttgarter Filmemacherinnen Sigrun Köhler und Wiltrud Baier die Geschichte. Wird der Osten jetzt erlöst?, wurden die beiden vor Drehbeginn gefragt. Ihre Antwort: Weder Bananen, noch Gebrauchtwagen, noch Versicherungspolicen aus dem Westen haben den Osten bisher erlösen können. Und Gott ist auch nur ein Mensch." Entstanden ist ein nachdenklicher, ehrlicher, auch komischer Film mit einer raffinierten Lichtdramaturgie, der den schwäbischen Missionar auf verlorenem Posten zeigt. So wie "Herr Wichmann von der CDU" in Andreas Dresens Film im Brandenburgischen rührend erfolglos war. Wollten wir uns den Dokumentarfilm "Der große Navigator", der derzeit auch durch Mecklenburg-Vorpommern tourt, als Spielfilm denken, wäre das ein tragikomischer Film über den wilden, hoffnungslos heidnischen Osten - mit Horst Krause in der Hauptrolle. Die Filmfrauen konnten Jakob Walter ein Jahr lang mit der Kamera begleiten. Vom ersten Tag der Mission an. In Bad Liebenzell werden neue Missionare entsandt: nach Ecuador, nach El Salvador, ins nicht minder fremde Mecklenburg-Vorpommern. "Gott ist für alle da, auch für die Mecklenburger und Vorpommerer", sagt Jakob Walter da noch. Oder: "Wenn Gott Türen öffnen möchte, dann müssen wir beten - in Papua Neuguinea wie in Mecklenburg." Was soll auch schon passieren? Wer 22 Jahre im heißen Dschungel gelebt hat, dort gemeinsam mit seiner Frau drei Kinder groß gezogen hat und beinahe von einem erbosten Häuptling mit Essen vergiftet worden wäre, der sollte doch im Osten Deutschlands zurechtkommen. Selbst wenn es sich um eine No-God-Area handelt. Ein Don Quichote des Glaubens? Der missionarische Alltag dann sieht anders aus. Der Verkünder des Evangeliums ein einsamer Rufer in der Wüste? Der einmal in der Woche mit Neubrandenburger Rentnern zur Schlagermusik in der Turnhalle tanzt - "Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle… Hölle, Hölle, Hölle!" Ein Don Quichote des Glaubens? Zumindest im Film. Außerhalb der auch in einem Dokumentarfilm inszenierten Wirklichkeit lässt sich die Geschichte von Jakob Walter aber auch anders erzählen. Damit sie mal unter Leute kommen Ein Mann kehrt nach 22 reichen Jahren zurück nach Deutschland, damit die drei Kinder studieren können. Als dem Theologen nach einer Weiterbildung zum christlichen Lebensberater von der Liebenzeller Mission angeboten wird, nach Neubrandenburg zu gehen, holt sich Jakob Walter Rat bei seinem Gott und entscheidet dann, dorthin zu gehen, wo sich die kirchlichen Gemeinden nicht gegenseitig auf die Füße treten. Sein Auftrag: Gemeindepflanzung, so nennen die Liebenzeller die Gründung christlicher Gemeinschaften. Anfang der Woche sitzt uns in dem Plattenbau-Club "Oase" im grauen Neubrandenburger Reitbahnviertel ein freundlicher Schwabe gegenüber, der wie jeden Dienstag Leute aus der Nachbarschaft zum Frühstück geladen hat. "Damit sie mal rauskommen." Den Film, sagt Walter, findet er ganz gelungen - grundsätzlich, aus Sicht der Filmemacherinnen. Kirchenvertreter, mit denen die Liebenzeller Mission wie überall in der Welt auch in Neubrandenburg zusammenarbeitet, waren nicht so begeistert. So heidnisch wie im Film sei die Stadt gar nicht. Walter spricht von einer "Superallianz aller Kirchen", ohne jegliches Konkurrenzgehabe wie manchmal in Süddeutschland. Nein, als eifernden Missionar, der mit rollenden Augen wie der Zorn Gottes über die Heiden kommt, darf man sich den gemütlichen Schwaben nicht vorstellen. Auch wenn er keinen Zweifel daran lässt, warum er hier ist: "Menschen mit dem Evangelium Jesu vertraut zu machen." Doch: "Ich lass das mal auf mich zukommen", sagt er ruhig, wechselt ein paar Worte mit den Frauen, die sich von der Frühstückstafel verabschieden und erzählt von Kinder- und Jugendnachmittagen, Hausaufgabenstunden, Zeltlagern, Familiensprechstunden, Tanz- und Musikunterricht. Wo sich Stadt und Staat aus sozialen Projekten verabschieden, öffnen sich Aufgabenfelder. Für wen auch immer. Getauft, wie in Papua Neuguinea, hat Jakob Walter in Neubrandenburg noch niemanden, auch Gottesdienste gibt es noch nicht. Ein offenes Ohr will er haben für die Menschen im tristen Reitbahnviertel, wie früher im Dschungel, wo sich die "Leute am Lagerfeuer erst nach Mitternacht öffneten". Und wie ist das nun mit den Mecklenburgern und den verlorenen heidnischen Seelen? "Ach, Schwaben und Mecklenburger sind sich sehr ähnlich. Sie warten erst mal ab. Aber wenn man einen Freund gefunden hat, hat man ihn fürs Leben gefunden." Im Übrigen will er nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass Kinder in Stuttgart oder Hamburg die Weihnachtsgeschichte sicher erzählen könnten. "Die Erde ist das schönste Paradies" Anfeindungen, erzählt Walter, hat er noch nicht erlebt in Neubrandenburg, allenfalls Andersartigkeit. Die Botschaft Jesu sei ledigleich ein Angebot. "Im Laden können die Leute ja auch frei entscheiden." Ohne eine leise, missionarische Warnung geht’s dann aber auch bei Jakob Walter nicht ab: "Jeder liegt so, wie er sich bettet." Da wird ihm der philosophisch angehauchte Fischer vom Tollensesee sicher zustimmen, der dem Film den Untertitel gab: "Gott ist auch nur ein Mensch!" Und mecklenburgisch weise fortfährt: "Ich brauch’ keinen Himmel und keine Hölle. Ich will hier bleiben auf der Erde. Die Erde ist das schönste Paradies." Wer wollte ihm da, zumal hierzulande, widersprechen? |
"Der Film polarisiert: .. Export von Bananen und nun auch noch Religion in den Osten" ... "Sinnsuche auf verschiedenen Wellenlängen"... "Genau diese Suche nach Antworten ist die wahre Größe des Films, die uns anrührt, angreift und zu eigenen Antworten zwingt." August Geyler, Dachkino Leipzig |
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"Ein ums andere Mal versagt das Navigationsgerät, führt den wackeren Streiter in die Irre, und wäre das Ganze ein Spielfilm, so käme man nicht umhin, die Drehbuchautoren für die Kühnheit und Verschmitztheit ihres Einfalls zu loben, ausgerechnet denjenigen fehlzuleiten, der anderen Orientierung geben soll." (>> Vollständige Besprechung hier) Joachim Kurz, Kinozeit.de |
"Mit feinem Gespür für Zwischentöne rücken Sigrun Köhler und Wiltrud Baier dem Glauben und Zweifeln zu Leibe." Bettina Lober, Haller Tagblatt >> Ausführliche Besprechung öffnen / schließen
11.12.2007 von Bettina Lober "Diese zwei Filmemacherinnen scheuen sich nicht vor großen Fragen der Menschheit. In "How Time Flies" spürten sie der Zeit nach, um Geld ging's bei "Schotter wie Heu". Jetzt haben sich Sigrun Köhler und Wiltrud Baier mit der Kamera dem Thema Glaube gewidmet - und dokumentieren mit "Der große Navigator" das schwierige Geschäft eines Missionars, den Heiligen Geist im Nordosten Deutschlands zu verkünden. Im fast komplett besetzten Haller Kino im Schafstall präsentierten die Regisseurinnen am Freitag ihren Film, der sowohl für staunende Lacher als auch für nachdenkliches Kopfschütteln und viel Beifall sorgte. Mehr als 20 Jahre lang war der Schwabe Jakob Walter von der Liebenzeller Mission in Papua_Neuguinea im Dienst. Nun wird er ins ferne Mecklenburg-Vorpommern entsandt, wohin ihn die Filmemacherinnen begleiten. Tapfer geht der Prediger die Aufgaben im neuen Wirkungskreis an. Das Navigationsgerät im Wagen soll helfen, den richtigen Weg zu finden, versagt zuweilen aber und schickt ihn in Sackgassen. Der Alltag im Nordosten Deutschlands scheint mit Schwierigkeiten regelrecht gepflastert. Ein Pietist in der Ostdeutschen Realität - eine Kollision der Welten. Von der Existenz Gottes ist dort kaum jemand überzeugt. Der Missionar stößt bei seiner Kontaktaufnahme meist auf Ablehnung. Und die Punks vor dem "Haus der Kultur und Bildung" rufen ihm ein grinsendes "Bier ist unser Gott" entgegen. Egal ob bei der "Jesus-House"-Party, beim Diavortrag über Papua-Neuguinea oder bei Missionsversuchen in der Fußgängerzone, ständig prallen die Gegensätze zwischen frustrierten Menschen und der fast verbissenen Glaubensstärke des Missionars aufeinender. Zuweilen wirkt Walter wie ein Rufer in der Wüste, der sich redlich um die "verlorenen Schäflein" bemüht, "Menschenfischer" sein will. Und ausgerechnet ein Fischer auf dem Tollensesee bei Neubrandenburg erweist sich zwar als bibelfester, aber ungläubiger Zeitgenosse - mit ernüchternder Erkenntnis: "Gott ist auch nur ein Mensch." Mit feinem Gespür für Zwischentöne rücken Sigrun Köhler und Wiltrud Baier dem Glauben und Zweifeln zu Leibe. Etwa ein Jahr lang haben sie den Missionar begleitet und dabei 70 Stunden Filmmaterial gesammelt - "davon waren allein 20 Stunden Gottesdienste", sagt Sigrun Köhler. "Der große Navigator" ist ein unterhaltender und stimmungsvoller Dokumentarfilm - mal heiter-ironisch, mal sarkastisch. In den Begegnungen der Menschen werden unüberwindliche Unterschiede offenbar. Köhler und Baier sind zwei, die sich wundern, die hinschauen und zuhören." |
"Der erhellende, unterhaltende und durchaus ironisch-sarkastische Film hat mit seinem Protagonisten einen tragischen Don Quijote zu bieten, der nicht nur an seiner Aufgabe und seinen „Schäflein“ scheitert..." (>> Vollständige Besprechung hier) Hans Messias, Filmdienst |
"...starke Bilder zweier, die sich wundern über die Menschheit in einem fremden Deutschland und über einen, der dort ein Wunder erhofft." Filmz.de |
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